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Wer
steuert denn? Kann
die Politik die Gentechnologie
steuern? Hier
zeigt sich ein tiefer liegendes
Problem. Wenn ich
auf die Seite der beteiligten Politiker blicke,
bin
ich enttäuscht Kann die Politik die Gentechnologie steuern?" Eigentlich wollte das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft über ein Symposium zu diesem Thema berichten. Allerdings findet dieses auf Entscheid von Bundesrat Moritz Leuenberger nicht statt, genauso wenig wie zwei folgende zu Fragen der Rentabilität der Gentechnik und zur Verantwortung der Wissenschaft. Ein rhetorisch geschickter Auftritt Jeremy Rifkins hatte auf dem ersten Symposium nicht nur die drei Gentechnik-befürwortenden Mitreferenten in den Schatten gestellt, er hatte auch eine grosse Empörung der anwesenden Naturwissenschaftler hervorgerufen, die sich in Radiointerviews und offenen Briefen an den Bundesrat entlud. Nachdem die stillschweigende Einstellung der Veranstaltungsreihe nun bekannt ist, wird mancher Bürger den Eindruck haben, man hätte das Thema der zweiten Veranstaltung anders formulieren sollen: "Kann die Gentechnologie die Politik steuern?" Diese Wendung bedauere ich ebenso, wie ich den Vertrauensverlust bedauere, den Wissenschaft und Politik zu verkraften haben. Es ist enttäuschend, wie unsensibel die Beteiligten mit gesellschaftlich sensiblen Fragen umgehen. Mein Bedauern ist umso grösser, als ich oft die Rolle des Befürworters der Gentechnologie übernehme. Top Auf Seiten der beteiligten Wissenschaftler geht es nicht allein um das peinliche Auftreten einzelner Akteure oder den geschmacklosen Vergleich von Jeremy Rifkin mit Stalin und Hitler. Hier zeigt sich ein tiefer liegendes Problem. Die beteiligten Wissenschaftler wünschen ja wirklich aus ganzem Herzen einen offenen, sachlichen und kontroversen Diskurs. Desto tragischer ist es, dass sie oftmals in öffentlichen Diskussionen den Eindruck der Diskursunfähigkeit, ja der Arroganz vermitteln. Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Spielregeln der eigenen naturwissenschaftlichen Welt eins zu eins auf die öffentliche Sphäre zu übertragen sind. Ob eine Meinung in einer führenden Zeitschrift publiziert wird, welches akademische Renommee der Sprecher hat, ist in der öffentlichen Sphäre aber nur von zweitrangigem Interesse. Hier zählen Vertrauenswürdigkeit, Gesprächsbereitschaft und Unabhängigkeit der Meinung. Aber es geht um mehr als dies: Immer noch scheint es eine in wissenschaftlichen Kreisen verbreitete Ansicht zu sein, man müsse die Allgemeinheit nur über die eigene Arbeit ausreichend informieren, dann würde sie diese auch akzeptieren. So einfach ist es eben nicht. Denn es geht in der öffentlichen Diskussion um Gentechnik auch um Fragen, die ausserhalb der naturwissenschaftlichen Kompetenz liegen. Bedarf es zum Beispiel des Nachweises, dass ein Risiko vorliegt - oder bedarf es des Nachweises, dass kein Risiko vorliegt? Doch auf dieser ethischen und politischen Ebene sind Naturwissenschaftler oftmals leider so hilflos wie Fische auf dem Trockenen. Sie zeigen sich im eigenen Wertesystem verfangen, und sie sind weder fähig, diese Werte zu hinterfragen, noch fähig, einzusehen, dass diese in der Öffentlichkeit nicht von allen geteilt werden. Unsensibilität zeigt schliesslich auch das Vorgehen der Wissenschaftler nach dem ersten Symposium. Von selbstkritischen Bemerkungen oder irgendeiner Manöverkritik ist nichts zu verspüren. Fehler werden vielmehr bei anderen lokalisiert; und der Bundesrat solls richten, dass es besser wird. Nicht zufällig wohl handelt es sich bei den Hauptakteuren auf den Seiten der Wissenschaft nicht um Personen, die in der Privatindustrie tätig sind, sondern um Professoren, die im geschützten Raum öffentlich-rechtlicher Universitäten arbeiten. Dass die ETH Zürich inzwischen geisteswissenschaftliche Pflichtstunden für alle Studierende vorschreibt, kann vor diesem Hintergrund nur als längst notwendige Korrektur bezeichnet werden. Top Auch wenn ich auf die Seite der beteiligten Politiker blicke, bin ich enttäuscht. Wenn der Bundesrat die Argumente der empörten Kritiker nicht teilt und schriftlich zurückweist - welchen Grund hatte er dann, die Symposienreihe abzusetzen? Für die Öffentlichkeit musste dies doch einer Übererfüllung der Wünsche der Briefschreibenden gleichkommen. Wenn die erste Veranstaltung, wie es aus dem Departement rechtfertigend heisst, ihr Informationsziel verfehlte, hätte doch alles danach verlangt, etwas zu lernen, um in den folgenden Veranstaltungen das Ziel zu erreichen. Aber diese Begründung überrascht ohnehin. Die Veranstaltungsreihe hatte sich wohl zum Ziel gesetzt, einen "konstruktiven Beitrag zur Information über die Gentechnologie zu leisten". Dieses Ziel sollte von vorneherein durch eine Gegenüberstellung befürwortender und ablehnender Stimmen erreicht werden. In dieser Hinsicht kann die Einladung eines der prominentesten Gentechnikkritiker nur als mutig bezeichnet werden. Auch die neueste Erklärung von Bundesrat Leuenberger, die Reihe wäre einfach zu teuer gewesen, überrascht. Wenn man bedenkt, wie viele öffentliche Gelder in die Gentechnik fliessen, sollte eine gewisse Summe doch auch für die Diskussion der Gentechnik übrig sein. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil die parlamentarische Debatte eine breite Diskussion nicht ersetzen kann, sondern dieser bedarf. Völlig unerklärbar ist schliesslich, wieso sich im Departement die Meinung durchsetzen konnte, den Abbruch der Reihe nicht zu thematisieren. Damit wurde der Eindruck einer Vogelstrauss-Politik noch verstärkt. Hat man wirklich geglaubt, niemand frage nach - weder die Referenten, die teilweise schriftlich zugesagt, noch die Medien, die eine Einladung und Beschreibung der ganzen Reihe erhalten hatten? Wenn man den Eindruck entstehen lassen wollte, die Gentechnologie bestimme die Politik, so hätte man besser nicht handeln können. Klaus Peter Rippe ist wissenschaftlicher Oberassistent am Ethik-Zentrum der Universität Zürich Top |