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15.04.02

Innert 48 Stunden 3 Präsidenten

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Sunday, 14 April, 2002, 07:41 GMT

"Buen dias, Pueblo venezolano!"

1998: Hugo Chavez wird zum neuen Präsidenten von Venezuela gewählt. (Zitat: Hugo Chavez promised "revolutionary" social policies, and constantly abused the "predatory oligarchs" of the establishment as corrupt servants of international capital.)

Seit Herbst 2001 werden die Rufe der Unzufriedenen immer lauter. Enorme wirtschaftliche und soziale Probleme kann der redegewaltige Volkstribun nur noch mit Hasstiraden auf Intellektuelle und einer verworrenen Wirtschaftspolitik und Angriffen auf die Gewerkschaften und die Kirche parieren. Dass er zu den Intimfreunden von Fidel Castro zählt, macht seine Figur nur noch illustrer.

Seine Popularität fiel von anfänglichen 80% auf 30% im letzten Dezember. Ein Bekannter, der im Dezember in Venezuela weilte, gab ihm nicht mehr als 3 Monate.

Freitag, 12.04.2002: Das Militär setzt Hugo Chavez unter Arrest. Arbeitgeberchef Pedro Carmona wird als Präsident eingesetzt. Als erstes löste er das Parlament und das oberste Gericht auf und setzte die Verfassung (von 1999) ausser Kraft.

Diese drastischen Massnahmen liessen den Gewerkschaftsbund, der letzte Woche noch mit dem Arbeitgeberverband gegen Chavez aufbegehrte, zu den Gegnern von Carmona wechseln. Auch Teile der Armee versagten nun dem neuen Präsidenten die Gefolgschaft. Carmona dankte ab und zog sich in eine Kaserne zurück.

Vizepräsident Diosdado Cabello übernahm die Präsidentschaft, allerdings nur für eine einzige Handlung: Er setzte Hugo Chavez wieder ein.

Am Sonntag, 14.04.2002, zog Chavez triumphal wieder im Regierungspalast Miraflores in Caracas ein.

Und dies alles im Land mit der viertgrössten Erdölförderung der Welt. Er wollte mit den alten Grossbesitzern aufräumen (Zitat: once described oil executives as living in "luxury chalets where they perform orgies, drinking whisky").

Ich bin gespannt, was mein Bekannter nun über die Zukunft des Landes und von Chavez sagt. Für mich sind solche Entwicklungen nicht nachvollziehbar. Ich konnte es nicht begreifen, dass Chavez 1998 gewählt wurde. Ich konnte dem Volkszorn nachfühlen, der ihn stürzte. Dass die gleichen Leute ihn 48 Stunden später wieder auf den Thron heben, da kann ich nur noch den Kopf schütteln. Es kommt mir aber eine Geschichte in den Sinn, die ich vor 16 Jahren in Bolivien hörte: Vor etwa 100 Jahren erhielt der Präsident Boliviens von seinem brasilianischen Kollegen einen herrlichen Schimmel geschenkt. Der Pferdenarr war so erfreut, dass er ihm spontan ein Stück Land schenkte, das seine Hand auf der an der Wand hängenden Karte abdeckte. Dies ist seither die brasilianische Provinz Acre, die übrigens fast viermal so gross ist wie die Schweiz. So wurde mir die Geschichte in Bolivien erzählt; brasilianische Quellen stellen diese Geschichte anders dar.

Für das Verständnis solch komplexer Vorgänge reicht das bescheidene Hirn eines durchschnittlichen Mitteleuropäers nicht mehr aus.


FTD (Financial Times Deutschland) berichtet am 15.04.02: "Der linke Nationalist Chávez ist ein begabter Unterhaltungskünstler. Beim Opec-Gipfel 2000 überraschte er als Gastgeber das Publikum mit dem Hinweis, ein Barrel Öl koste nur 25 $, ein Barrel Champagner oder Remy Martin aber mehrere Tausend. Chavez hatte die Lacher auf seiner Seite. Viel mehr als Späße aber scheint der große Kommunikator seinem Volk nicht bieten zu können."