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30.03.08

Lhasa KlosterChina vs. Tibet #2

Die gegensätzlichen Versionen der chinesischen Regierung und von Exiltibetern zu den gegenwärtigen Unruhen werden durch einen Artikel im «Tages-Anzeiger» vom 29. März 2008 relativiert. "Fritzli Hueber" ist dort untergetaucht. Natürlich ist seine Sicht sehr eingeschränkt, da er sich kaum bewegen darf. Er beruft sich auf Quellen seiner tibetischen Freunde. «"Fritzli Hueber" ist ein Pseudonym für einen Touristen, der sich seit 13 Tagen in Lhasa aufhält. Der 43-Jährige hat Tibet mehrmals intensiv bereist und in der Gegend Freundschaften geschlossen. Als einer der letzten Ausländer hält sich "Fritzli Hueber" immer noch in der tibetischen Hauptstadt Lhasa auf. Die Stadt ist oberflächlich ruhig, im Versteckten geht die Repression weiter.»

Irgendwie habe ich ein schales Gefühl im Bauch nach der Lektüre dieses Interviews von Daniel B. Peterlunger (TA) mit "Fritzli Hueber".


TA: Hat sich mit dem Besuch der internationalen Journalistengruppe am Mittwoch und Donnerstag, 26. und 27. März 2008, etwas verändert in Lhasa?
"FH": Kurz bevor die Journalisten eintrafen, wurde die Armee grösstenteils abgezogen. Tagsüber sieht man nun kaum noch Soldaten – nachts aber führen sie Patrouillen durch. Die Truppen mit ihren Mannschaftswagen, die bislang den Parkor (Innerer Pilgerpfad) und den Jokhang-Tempel absperrten, sind verschwunden. Die Polizei hat die Kontrolle des Tempels übernommen; er bleibt geschlossen.

Ist der Potala-Palast wieder offen?
Ja, seit zwei Tagen. Er wird bereits wieder von Tibetern besucht.

Was ist mit den Klöstern?
Die grossen Klöster ausserhalb der Stadt sind von der Armee eingeschlossen. Niemand weiss, was hinter den Mauern geschieht.

Kann man sich in der Stadt frei bewegen?
Ja, ausser beim Parkor im Zentrum. Zudem sind mehrere Strassen des alten tibetischen Quartiers gesperrt. Dort stehen am Strasseneingang Polizisten mit Schutzschildern und Gummiknüppeln. Ansonsten weisen nur die verbrannten Geschäftslokale darauf hin, dass es hier zu Gewalt kam.

Wessen Geschäfte haben gebrannt?
Im Zentrum der Altstadt von Lhasa wurden sowohl chinesische als auch Geschäfte von Muslimen angezündet. Zweimal wurde erfolglos versucht, die Moschee anzuzünden. Die chinesische Regierung hat die so genannten Hui, muslimische ethnische Chinesen, ursprünglich nach Lhasa gebracht, um ein Gegengewicht zum Buddhismus zu schaffen. Vor zehn Jahren gab es hier noch keine Mus- lime. An den Türen tibetischer Geschäfte hingen Khatas, die typischen weissen Begrüssungsschleifen, die die Lokale vor Zerstörung schützten.

Sie kamen am 16. März, zwei Tage nach dem heftigsten Aufstand, in die Stadt und trafen andere Touristen. Was berichteten diese?
Am Nachmittag des 14. März begann eine Gruppe von 300, 400 Tibetern unvermittelt, chinesische Verkaufsbuden zusammenzuschlagen und anzustecken. In der Altstadt verfolgten sie Chinesen und schlugen einige fast zu Tode. Ein von aufgebrachten Tibetern bedrängter Chinese wurde von einem Touristen «gerettet ». Laut seiner Darstellung ist die Gewalt spontan ausgebrochen, Tibeter haben mit Benzin und Speiseöl Geschäfte angezündet. Im Zentrum von Lhasa war überall Rauch. Wegen der Feuer brach die Strom- und Wasserversorgung zusammen. Ein anderer Tourist filmte eine Szene der Solidarität zwischen Tibetern und Chinesen, die sich gegenseitig halfen, über eine Mauer zu klettern, um sich vor dem Feuer zu retten.

Wie verhielten sich die chinesischen Sicherheitskräfte?
Zu Beginn umstellte die Polizei die Strassen, wo es zu Gewalt kam, ohne einzugreifen. Die Sicherheitskräfte waren nur mit Stöcken oder Plastikknüppeln ausgerüstet und brachten sich vor der eskalierenden Gewalt bald in Sicherheit. Erst später marschierte die chinesische Armee massiv auf und stoppte den Aufstand. Es ist schwer, zu sagen, was dabei genau passierte, aber nach den Aussagen der Augenzeugen, mit denen ich gesprochen habe, machten die Soldaten einen sehr disziplinierten Eindruck.

Wie verhalten sich die Tibeter jetzt – zwei Wochen nach den schwersten Unruhen?
Sie halten sich bedeckt. Viele sind in den letzten Tagen in ihren Häusern geblieben. Sie haben Angst, mit einem Fremden zu sprechen, und fürchten sich vor Spionen. Meine Anrufe auf die Mobiltelefone tibetischer Freunde bleiben unbeantwortet, weil die Telefonate abgehört werden.

Und was berichten die Tibeter, wenn Sie direkt mit ihnen sprechen können?
Ich erfuhr, dass bereits 1500 Tibeter verhaftet worden sind. Viele seien gefoltert worden. Jede Nacht werden weitere Tibeter verhaftet. Ein tibetischer Rikscha-Fahrer, der an einer friedlichen Demonstration gesehen worden war, wurde bereits zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Die tibetische Exilregierung spricht von 140 Toten, Chinas Regierung von 20. Was ist Ihre Einschätzung?
Im Moment weiss wohl niemand genau, wie viele Menschen ums Leben gekommen sind. Doch ein Tibeter bezeugte mir, dass am Nachmittag des 14. März allein vor dem Jokhang Tempel 15 Tibeter erschossen wurden. Die Wahrheit liegt also bestimmt näher bei 140 Toten als bei 20.

Wissen die Tibeter, dass der olympische Fackellauf über den Mount Everest und durch Tibet führen soll?
Ja, sie sind sehr gut informiert. Und sie sind dagegen. Das 14-köpfige chinesische Everest-Team befindet sich im Moment selber in Lhasa, soll aber schon bald ins Basislager am Fusse des Everests reisen. Für Ausländer ist diese Region gesperrt.

Wie verhält sich die Polizei Ausländern gegenüber?
Im Moment halten sich weniger als zehn Ausländer noch in der Stadt auf. Die Polizei behandelt uns höflich und bestimmt. Gestern versuchte ein ausländisches Ehepaar, Lhasa auf einem Tandem in Richtung Osttibet zu verlassen. Sie wurden verhaftet und zurück in die Stadt gebracht, können sich hier jedoch frei bewegen.

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